Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Im Vorfeld verbreitete der russische Präsident Wladimir Putin allerhand Falschinformationen.
Angebliche Massengräber in der selbsternannten Volksrepublik Donezk…
In der nächsten Kategorie finden wir plötzlich zutage tretende Kriegsverbrechen älteren Datums. Beim Massaker von Katyn erschossen Angehörige des sowjetischen Geheimdienstes auf Befehl Stalins im Frühjahr 1940 etwa 4400 gefangene Polen. Das Nazi-Regime ging mit dem Auffinden des Massengrabs im April 1943 an die internationale Öffentlichkeit.
Die Sowjetunion leugnete die Mordaktion, versuchte, das Verbrechen Hitler-Deutschland anzulasten und hielt an dieser Geschichtsfälschung bis 1990 fest. Den Aufschlag in dieser Kategorie vollzog die Jerusalem Post, als sie am 16. Februar über angeblich entdeckte Massengräber in der selbsternannten Volksrepublik Donezk berichtete, in denen zivile Opfer einer ukrainischen Militäroperation vom April 2014 verscharrt worden seien. Flankiert werden sollte mit dieser Horrorgeschichte offensichtlich Putins groteskes Schauermärchen von einem drohenden Genozid an Russen in der Ukraine.
Das größte Kaliber an Desinformation ist, das Gespenst von Massenvernichtungswaffen heraufzubeschwören, wie es US-Außenminister Colin Powell vor der UNO-Vollversammlung zur Rechtfertigung des Kriegs gegen den Irak mit gefälschten Beweismitteln tat. In diese Kiste griffen auch prorussische Medien, als sie der Ukraine den Besitz von chemischen Waffen unterstellten. In seiner irrlichternden Brandrede warf Putin der Ukraine sogar vor, nach Atomwaffen zu streben.
Die CIA und mit ihr US-Präsident Joe Biden gingen den ungewöhnlichen Schritt, Geheimdienstinformationen über die russischen Truppenkonzentrationen und dahinterstehende Absichten öffentlich zu machen, um der Moskauer Kriegsmaschinerie den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Es ist nicht unrealistisch, davon auszugehen, dass der geplante Angriffstermin am 16. Februar auf harten nachrichtendienstlichen Quellen beruhte und nur durch die Veröffentlichung ausgesetzt wurde. Putin erlaubte dies allerdings in der Propagandaschlacht mit dem Vorwurf amerikanischer Hysterie erneut zu punkten, während er mit der Ankündigung eines Teilabzugs ein Eigentor schoss.
Eine Satellitenaufklärung mit einer Auflösung von unter 30 Zentimetern erlaubt den westlichen Nachrichtendiensten den vorgeblichen und vom russischen Staatsfernsehen in Szene gesetzten Teilabzug als Scheinmanöver zu entlarven, während tatsächlich etwa 7000 weitere Soldaten in grenznahe Bereitstellungsräume verlegt wurden.
Wer auch immer nach den Zusagen an Olaf Scholz und Emmanuel Macron einen Hoffnungsschimmer an Deeskalation sah, muss nun erkennen, dass der Egomane Putin sich nicht scheut, die Regierungschefs Deutschlands und Frankreichs am Nasenring durch die politische Manege zu ziehen.
Russlands Präsident wirft dem Westen – angesichts des Grenzstreits mit der Ukraine – eine Lüge vor: Mit der Nato-Osterweiterung habe der Westen seine Zusage gebrochen. Stimmt das?
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/putin-russland-nato-osterweiterung-luege-100.html
Russland und die Ukraine seien geschichtlich betrachtet eins und außerdem bedrohe die NATO Russland aktiv. Der russische Präsident Putin sieht sich im Recht. Was ist dran? Possoch klärt!
Die NATO als Bedrohung Russlands?
„Niemand fühlt sich mehr sicher“, hatte Wladimir Putin 2007 bei seiner ersten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Hinblick auf die USA gesagt. Die Vereinigten Staaten würden der ganzen Welt ihre Vorstellungen aufzwingen. Und wenn Putin immer wieder betont, dass Russland versprochen wurde, die NATO käme nicht weiter in den Osten, dann ist das auch nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Der damalige Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Hans-Dietrich Genscher, sagte 1990 vor Journalisten, „dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten“. Tatsächlich gab es seit 1999 fünf NATO-Osterweiterungen. Ein klarer Verstoß gegen feste Zusagen? Nein, bewertet das der Osteuropa-Historiker Schulze Wessel:
„Das sind Aussagen einzelner Politiker gewesen, die keine vertraglich bindende Kraft haben und die auch zu einem Zeitpunkt erfolgten, als der Warschauer Pakt noch existierte und man sich eine Erweiterung der NATO auch noch gar nicht vorstellen konnte.“ Martin Schulze Wessel, Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas
Aktuell sind 30 Staaten Mitglied der NATO.
NATO-Angriff auf Russland? Nur eine Frage von Minuten laut Putin
Auch wenn NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg jüngst bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2022 klarstellt, dass die NATO ein defensives Bündnis sei und weder Russland noch irgendein anderer Staat davon bedroht würden, rechnet Putin, wenn er über die vermeintliche Bedrohung durch die NATO spricht, immer mal wieder vor: Wenn die NATO in der Ukraine einen Stützpunkt hätte, könnten Raketen, Kampfjets und Co. innerhalb von sieben bis zehn Minuten Moskau erreichen.
Diese Angst vor der NATO ist für Geschichtsprofessor Schulze Wessel nur vorgeschoben. Seiner Meinung nach geht es Russland nicht um die NATO, sondern um „die Entstehung einer florierenden Demokratie an der Grenze zu Russland“. Davor habe speziell Putin viel mehr Angst.
Eine solche Demokratie hätte einen gesellschaftlichen Einfluss auf Russland, würde Reformdruck entstehen lassen, wenn die Bürgerinnen und Bürger deutlich vor Augen geführt bekämen, wie die Lebensbedingungen in einer westlich orientierten und wirtschaftlich prosperierenden Demokratie aussähen.
Russland und Ukraine: Ein gemeinsames Volk?
Bereits vergangenes Jahr erklärte Wladimir Putin in einem Artikel auf der Kreml-Website, dass Russen und Ukrainer historisch gesehen eigentlich ein gemeinsames Volk seien. Deshalb betont er auch jetzt, dass die Ukraine nie eine echte Staatlichkeit besessen habe. Und Putin sagt: Das Land sei eine westliche „Kolonie mit einem Marionettenregime“, in der gegen die russischsprachige Bevölkerung eine Politik der „Zwangsassimilierung“ geführt werde.
In der Tat: Russland und die Ukraine haben eine sehr miteinander verflochtene Geschichte. Beide sind aus dem ersten ostslawischen Staat entstanden, der Kiewer Rus. Allerdings: Auch Deutschland und Frankreich hatten im Mittelalter eine gemeinsame Geschichte, erklärt Historiker Schulze Wessel: „Niemand würde behaupten, dass deswegen Frankreich keine Nation oder Deutschland keine Nation wäre.“
Krieg wegen ethnischer Minderheiten?
Im Donbass, also der Region, in der auch die Separatistengebiete Luhansk und Donezk liegen, gibt es einen hohen Anteil von ethnischen Russen und von russischsprachigen Ukrainern. Auf sie verweist Putin häufig. Für Schulze Wessel allerdings kein Argument, neue Grenzen zu ziehen. Nach dieser Logik wäre der nächste Krieg gegenüber den baltischen Staaten Estland oder Lettland programmiert. „Den Gedanken darf man nicht akzeptieren.“ Sagt Schulze Wessel.
https://www.br.de/nachrichten/wissen/russland-ukraine-krieg-putins-argumente-possoch-klaert,SyLydog
Gorbatschow selbst, so lassen sich seine Aufzeichnungen interpretieren, wurde nie primär von sicherheitspolitischen Überlegungen geleitet. Er beharrte nie auf einer Verschriftlichung der mündlichen Aussagen Bakers oder Kohls. Im Gegenteil: Nachdem sich Bushs Lesart durchgesetzt hatte und sie in einem ausführlichen Telegramm an den französischen Präsidenten vom April quasi dokumentiert wurde, schlug er noch eine paneuropäische Sicherheitsarchitektur unter Führung der Nato vor. Er ging sogar so weit, im Mai eine Mitgliedschaft der Sowjetunion ins Spiel zu bringen.
Rechtlich bindende Zusagen oder gar Verträge über die Rolle der Nato nach der Vereinigung hat die Sowjetunion also nie angestrebt. In den Verhandlungen über die Außenpolitik der deutschen Einheit (Zwei-plus-Vier-Gespräche) taucht das Thema nicht mehr auf. Es bleibt die Grauzone, die mündlich in den Tagen zwischen dem 8. und 25. Februar geschaffen wurde.
https://www.sueddeutsche.de/politik/sowjetunion-nato-osterweiterung-kohl-gorbatschow-1.5494161